Sie haben den Film in Cinemascope
gedreht. Warum dieses Format und welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Während der Arbeit an HALBE TREPPE habe ich öfter mal laut geflucht, weil
die digitale Kamera manchmal wunderbare Schauspielarbeit zunichte machte,
einfach weil die Schärfe nicht ausreicht. Natürlich gab es auch Vorteile,
mit der kleinen digitalen Kamera zu drehen, aber mein Stolz als Kameramann
hat schon etwas gelitten. Andreas Dresen hat mir dann immer – wahrscheinlich
zunächst nur, um mich bei Laune zu halten- versprochen, daß wir den nächsten
Film zusammen auf Cinemascope drehen würden, was ich wirklich erst für
einen Scherz hielt. Aber er hat sein Versprechen gehalten und mir den
WILLENBROCK als Bildgestalter angeboten. Wir haben eigentlich nicht lange
über das Format diskutiert. Nachdem ich das Drehbuch und die Romanvorlage
gelesen hatte, dachte ich sofort, wie Andreas, man muß das unbedingt auf
Breitwandformat bringen. Andreas und ich wollten diese kleine Geschichte
in ein größeres Format packen, gerade auch weil wir beide der Meinung
sind, solche Geschichten haben mehr mit unserem Leben zu tun als Actionfilme,
die visuell bombastisch daher kommen, aber inhaltlich sehr zu wünschen
übrig lassen. Mich hat die Arbeit mit dem Format auch sehr gereizt: Ich
liebe diese Breite, die Möglichkeit, dynamischer zu komponieren, mit Räumlichkeiten
zu arbeiten und die Figuren zu integrieren, mit Zwischenräumen zu spielen
und mit riesigen Totalen, die man im Fernsehen eher vermeidet.
Der Film besteht zu etwa zwei Dritteln aus Handkamera-Aufnahmen,
aber man merkt es doch eigentlich gar nicht...
Es war mein Vorschlag, wieder auf die Handkamera zurückzugreifen, aber
dieses Mal nicht in der extremen Form von HALBE TREPPE. Man sollte es
wirklich kaum merken. Ich wollte nur die Flexibilität der Handkamera-Führung
mitnehmen, die ich bei HALBE TREPPE doch sehr geschätzt habe. Zudem sollte
sie die wachsende Unruhe und die zerbrechende Sicherheit in Willenbrocks
Leben visuell unterstützen. Die Handkamera wird erst mit dem folgenreichen
Überfall eingeführt. Davor dominieren ruhige, langsam bewegte Bilder von
den Ereignissen, die zum Überfall hinführen.
Sie haben den Film sehr aufwendig digital nachbearbeitet.
Worauf kam es Ihnen dabei an?
Es gab eine ganze Reihe von Gründen, aber der wichtigste war vielleicht,
dass wir uns dadurch auch eine große Freiheit in der Bildgestaltung geschaffen
haben. Wir wollten mit visuellen Extremen arbeiten, mit Überstrahlungen
oder tiefer Dunkelheit. Ich mußte dabei nicht das Risiko beim Drehen eingehen,
die Bilder zu dunkel oder überbelichtet aufzunehmen und diese Fehler nicht
mehr korrigieren zu können. Ich konnte den Schwerpunkt der bildgestalterischen
Arbeit auf die digitale Nachbearbeitung legen. Dabei habe ich immer wieder
den Hut gezogen vor meinen Vorbildern wie Conrad Hall, Laslo Kovacs oder
Michael Ballhaus, die damals ohne solche Hilfsmittel auskommen mußten
und dennoch die visuellen Extreme ausschöpften.
Magdeburg ist ein ungewöhnlicher Drehort. Wie wollten
Sie diese Stadt im Film präsentieren?
Magdeburg war Klasse als Drehort, weil es so viele unverbrauchte
Bilder bietet. Und von solcher Vielfalt, daß es schade ist, dass wir nicht
noch mehr Drehorte in unserem Script hatten! Der Eindruck einer Stadt,
die im Aufbau ist, so wie Willenbrock sein Leben aufbaut, wollten wir
einfangen. Eine Stadt im Aufbruch und im Umbruch. Besonders gut fand ich
den Automarkt als Drehort. Hier konnten wir diese eigenartige Stimmung
einfangen, die entsteht, wenn jemand etwas aufbaut, daß völlig belanglos
aussieht, für ihn aber alles bedeutet: Erfolg und Wohlstand. Solche Orte
sollen im Film nicht außergewöhnlich aussehen, sondern die Mauern demonstrieren,
hinter denen viele Menschen ein rein materialistisches, abgesichertes
Dasein anstreben. Fast jede karge Fassade oder jeder Ort verbirgt solche
Schicksale.
[Quelle: Delphi Vilmverleih GmbH]
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