Interview mit Karsten Laske

Gab es einen konkreten Anlass für diesen Film?


Mehrere. Zum einen wollte ich einen Konflikt erzählen, in dem es wirklich um Leben und Tod geht. Dazu kommt, ich mag Geschichten, in denen Schicht für Schicht entweder Figuren entblättert werden oder eine dunkle Vergangenheit freigelegt wird. Dieses Spiel mit den Masken, das finde ich interessant. Dann gibt es eine Beobachtung, die ich immer wieder gemacht habe und die mich irritiert hat. Wenn Leute meines Alters, also Anfang bis Ende 30, zusammenkamen und das Gespräch zufällig auf die Armeezeit kam, dann setzte ein Prahlen und Palavern ein, das gar nicht wieder aufhören wollte. Geschichten, wie hart ihr Dienst war, wie sie ’s aber immer wieder geschafft haben, sich durchzumogeln, wie schlau sie waren, wie sie ’s ihren Vorgesetzten heimgezahlt haben usw. – alles pubertäre Siegergeschichten. Auffällig nur, wie unbewältigt diese Zeit noch immer in ihren Köpfen war. Offensichtlich eine Gewalterfahrung und ein Untertanentraining, dass sich tief eingefressen hatte und sich über all die Jahre nicht ganz abschütteln ließ. Außerdem habe ich einen Freund, der, als der Letzte an der Mauer, Geffroy, erschossen wurde, auf der Täterseite stand. Mein Freund war zwar zum Glück nicht im Dienst, aber der Soldat, der die 60 Schuss auf Geffroy abgefeurt hatte, war auf seiner Bude, und so hat er das ganze Desaster aus nächster Nähe mitbekommen. Und dann sind logischerweise auch Erfahrungen, die ich während meines Grundwehrdienstes selbst als Soldat der NVA gemacht habe, in das Buch mit eingeflossen.

Die DDR, ein einziger großer Witz – das scheint ja gerade die landläufige Wahrnehmung zu sein. Wollten Sie mit Ihrem Film da gegensteuern?

Weder kann ich das, noch will ich das. Und außerdem gibt’s in „Hundsköpfe“ ja auch einiges zu lachen. Es spielt ja nicht umsonst Axel Prahl mit.

Apropos Schauspieler. Die Schauspieler, die die „Hundsköpfe” spielen, kommen zur Hälfte aus dem Osten, zur Hälfte aus dem Westen. War es ein Problem, den „Wessis” das Grenzregime zu vermitteln?

Ich erzähle ja eine Geschichte, die jetzt und hier spielt. Es gibt keine Rückblenden. Insofern musste niemand exerzieren oder schießen üben. Es hätte mich auch nicht interessiert, Jungs in Uniform durch die Gegend laufen zu lassen. Dieses alberne Feldgrau hätte die Geschichte klein und mickrig gemacht, glaube ich. Interessant ist doch, das Alte, Verdrängte jetzt wieder hochkommen zu sehen. Zuzugucken, wie diese vier gestandenen Männer noch einmal davon erfasst werden. Sie bilden die Gruppe, die sie damals waren. Sie verfallen in die alten Verhaltensmuster. Außer Christoph – der wehrt sich dagegen und ironisiert das alte Verhalten. Aber natürlich hat er auch viel mehr zu verbergen als die anderen. Also: wie sich Verdrängung rächt, das hat mich interessiert. Und das ist natürlich ein Thema, das für jeden einzelnen zum Problem werden kann – wie wir bei den „Hundsköpfen“ sehen – und es ist zugleich eine Frage, die sich der Gesellschaft stellt, ob sie will oder nicht.

Spielt die Liebesgeschichte deshalb eine so zentrale Rolle, weil die Männer von allein niemals auf die Idee gekommen wären, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen?

Wenn man sieht, wie die Vier ihr Wiedersehen feiern, muss man davon ausgehen, dass sie ohne Anstoß von außen nicht auf die Idee gekommen wären – oder einfach nicht den Mut gehabt hätten – sich der Schattenseite ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu stellen. Außerdem entspricht es durchaus meiner Überzeugung, dass Männer die besseren Verdränger sind.

Ich vermute, dass Sylvia auch nicht zufällig als Kindergärtnerin arbeitet?

Ganz bestimmt nicht.

Und ist das der Sohn von Sylvia und Christoph, der am Ende, unter der Schlusseinstellung des Films, den NVA-Fahneneid spricht?

Nein, das ist einfach eine Kinderstimme – der Sohn des Toncutters. Ich finde die Naivität großartig, mit der der Junge diesen unaussprechlichen Text zitiert. Ich hatte überlegt, welche Musik wir dort machen, aber dann fiel mir auf, dass es ein Stereotyp vieler Filme gibt, in denen sich Freunde, die ein dunkles Geheimnis verbindet, nach Jahren wiedertreffen: sie haben damals einen Schwur abgelegt. Wenn „Es“ wieder auftaucht, kommen wir wieder zusammen! Das wird dann in den Filmen als dramaturgisches Vehikel benutzt, die Figuren wieder zusammenzubringen. Unsere Männer haben auch einen Eid geschworen, wenn auch einen ganz anderen, und ich benutze ihn auch nicht als Antrieb für die Geschichte, sondern als Abgesang. Wenn es am Ende heißt, es möge mich „die Verachtung des werktätigen Volkes treffen”, dann läuft es mir jedes Mal kalt den Rücken runter.

Bei Ihren Schauspielern sehen wir einige unbekannte Gesichter. Aber auch Grimmepreisträger Axel Prahl – war es schwierig, ihn zu engagieren?

Nein. Ich habe ihn gefragt, er hat zugesagt, ganz einfach. Ich habe überhaupt bisher immer die Erfahrung gemacht, dass es mit einem Drehbuch, von dessen Qualität man überzeugt ist, nicht schwierig ist, die Schauspieler zu bekommen, die man will. Denn auch die sind auf der Suche nach guten Rollen, und selbst über die Gage lässt sich dann reden.

Wie hoch war das Budget des Films?

Ein Witz. 400.000 Euro.

Er ist in der „Ostwind”-Reihe entstanden?

Ja. Eine Zusammenarbeit zwischen ZDF /“Kleines Fernsehspiel” und dem ORB. Insgesamt sollen in dieser Reihe zwölf Filme entstehen, teils Dokumentar-, teils Spielfilme. Dieser Konstellation aus ZDF und ORB – und dem Produzenten Jost Hering natürlich – ist es zu verdanken, dass es den Film „Hundsköpfe” überhaupt gibt.

Eine Frage zuletzt, was ist denn bitte „Hängolin-Tee”?

Das war der Tee, den ’s bei der Fahne gab. Die Soldaten meinten, da sei irgendein Zeug drin, das die Potenz hemmt. Deshalb wurde er nie getrunken, bevor man in Ausgang ging. – Aber noch mal zu der Sprache überhaupt. Mir war wichtig, dass mit den Erinnerungen auch längst vergessene Wörter plötzlich im Sprachgebrauch der Männer wieder auftauchen. Unser Denken verrät sich ja nun mal hauptsächlich über unser Sprechen. Dann ist es auch keine Nostalgie, was da stattfindet, sondern wir sehen authentische Biografien.

[Das Interview führte Jens Kubusch]