Wie sahen Deine Vorbereitungen für dieses ungewöhnliche Projekt aus?

Eigentlich hatte ich in diesem Sinne keine Vorbereitungen für den Film. Die Vorbereitungen begannen, als wir in Frankfurt/Oder im fertig eingerichteten Zimmer am Tisch saßen und uns fragten: „Was machen wir denn nun?”. Gut, Andreas hatte im Vorfeld ein Plot-Skelett entwickelt, das natürlich sehr wichtig war. Aber wenn man nichts hat, dann kann man auch nichts vorbereiten oder sich über Stilmittel und Farben unterhalten. Ich bin also ganz offen da reingegangen, hatte höchstens die Diskussionen über Improvisation bei der Polizistin im Hinterkopf. Bereits damals hatten wir das Gefühl, man könne noch weiter gehen, noch freier und flüssiger sein mit der Kamera – obwohl ich ja aus dem Dokumentarischen komme und weiß, dass dieser gewollte dokumentarische Look kaum funktioniert, wenn die Kameramänner an ihrer Kamera wackeln. Das mag ich gar nicht.

Hast Du bei HALBE TREPPE ausschließlich mit Naturlicht gearbeitet?

Ich habe schon auch Kunstlicht eingesetzt, aber nur in Ausnahmesituatio-
nen. Für eine sehr schwierige Szene hatten wir für einen Tag ein Hotelzimmer gemietet. Wir haben aber so lange herumprobiert, dass plötzlich das Licht verschwand. Und da musste ich Tageslicht erzeugen mit meinen zwei kleinen Kino-Flos. Das war eine lustige Aufgabe, hat aber funktioniert, weil die kleine DV-Kamera von der Empfindlichkeit her Enormes leisten konnte. Dann gab es noch eine Nachtlichtsequenz, ich kann mich aber sonst nicht erinnern, wo ich noch auf Kunstlicht zurückgegriffen habe. Einmal haben wir eine blaue Mülltüte über eine Stehlampe gezogen, um die entsprechende Nachtstimmung zu kriegen. Aber man kann die Einstellungen an einer Hand abzählen.

Wie hast Du Dich mit der dokumentarischen Kamera beim Drehen der Improvisationen eingebracht, fühltest Du Dich als der fünfte Mann zwischen den Schauspielern?

Ich denke schon, dass ich als eine Art fünfter Schauspieler agiere. Ich habe durchaus das Gefühl, dass ich mich wirklich konzentrieren muss auf die Dialoge. Ich muss mitsprechen sozusagen, ich muss die Blicke einfangen, ich muss mithören, ich muss mit Gefühl dabei sein und wie eine Figur auf alles reagieren. Ich bin eher ein Emotionsmensch, deswegen glaube ich, dass ich bei solch einer Art Film mit den Schauspielern mitmache und die Kamera auf diese Weise eine Persönlichkeit bekommt, sie beteiligt sich an der Szene.

Es gab für Dich vor dem Take also praktisch keine spezielle Ansage?

Nein, überhaupt nicht. Es war wunderbar, dass jeder in seinem Bereich seine Freiheit hatte, das so zu machen, wie er dachte, es sei gut. Ich finde so eine Freiheit unglaublich toll. Ich meine, natürlich war Andreas derjenige, der alle Fäden hielt, und das war auch gut so.

Es gibt in HALBE TREPPE Dialogszenen, wo Du mit Reißschwenks arbeitest, und dann gibt es andere Dialoge, wo Du den Sprecherwechsel betont langsam vornimmst. Wie bist Du, ohne zu wissen, wie lange jemand spricht oder wohin er sich bewegen wird, da vorgegangen?

Intuitiv. Wenn sich zum Beispiel zwei heimlich im Hotel treffen, habe ich das Gefühl, dass es da keiner Reißschwenks bedarf, dass ich eher Kleinigkeiten beobachten möchte, wie die Haare fallen oder wie die Hände bewegt werden. Ich versuche dort eher eine Poesie der Kleinigkeiten herzustellen. Wenn mir die Wörter und die Blicke, die ausgetauscht werden, vermitteln, jetzt wird es zackiger, dann gehe ich gefühlsmäßig zum Reißschwenk über. So etwas entsteht immer aus dem Moment. Andreas hat sich da auch kaum eingemischt und hat mir ein recht großes Vertrauen entgegen gebracht. Das hört sich vielleicht so an, als ob er mit allem zufrieden wäre – überhaupt nicht. Ich habe selten mit jemandem zusammengearbeitet, der so genau weiß, was er will. Und dadurch, dass wir so viel über alles sprechen, filtere ich heraus, wie er das erzählen würde. Wir sind uns in unserem Verständnis der Filmsprache sehr ähnlich. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er so wenig eingegriffen hat. Denn, wenn er etwas kritisierte, dann immer bezüglich Details, die mir nicht aufgefallen sind.

[Quelle: Delphi Vilmverleih GmbH]