Wie entstand
die Idee zu diesen außergewöhnlichen Produktionsumstän-
den?
Der Ausgangspunkt war schon bei Nachtgestalten gelegt. Bereits
damals hatten wir den Traum vom ganz kleinen Team, das komplett
in einen VW-Bus passen müsste. Auch wünschte ich mir die Möglichkeit,
außerhalb der vorgegebenen Story agieren und dabei annähernd
dokumentarisch arbeiten zu können, ein bisschen offener
jedenfalls. Je größer das Team, desto schwerfälliger wird natürlich
alles, aber irgendwie schienen die vielen Leute immer deshalb nötig
zu sein, weil ja bestimmte Buchvorgaben auf professionelle Art und
Weise umzusetzen waren. Irgendwann habe ich mal leicht verärgert
gesagt: „Dann machen wir es eben ohne Drehbuch!” Das war natürlich
nur so dahingesagt, aber mich ließ der Gedanke seitdem nicht
mehr los, nur auf Basis einer Grundidee mit einem kleinen Team von
Freunden einen Film zu entwickeln.
Alle Szenen wurden ausschließlich improvisiert.
Wie oft hast Du wiederho-
len lassen?
Wir haben jede Improvisation mindestens einmal wiederholt, aus
dem schlichten Grund, weil sie meist die Eigenschaft haben, unendlich
lang zu werden. Ich benötigte Schnittmaterial. Die Viereraussprache
in der Wohnung etwa haben wir beim ersten Take in Echtzeit
ablaufen lassen. Er dauerte 45 Minuten. Wir haben dann diese
Situation beim zweiten Mal mit einigen grundsätzlichen Korrekturen
erneut gespielt. Michael habe ich gebeten, eine andere Brennweite
zu nehmen, damit ich später besser schneiden kann. So hatte ich für
diese Szene zwei Basistakes von, alles in allem, etwa 90 Minuten.
Beim Schnitt suchten wir dann für uns interessante Stellen heraus
und begannen, die Sequenz nach und nach zu verdichten. So wurden
am Ende fünf bis sechs Minuten draus.
Oft haben wir natürlich viel mehr Varianten hergestellt, wobei ich zu
Anfang nie Vorgaben gemacht habe. Erst nach und nach wurde die
Situation dann durchstrukturiert und in eine Form gebracht, vom
Allgemeinen ins Konkrete. Optisch haben wir meist mit kürzeren
Brennweiten angefangen und dann verdichtet. Die Improvisationen
liefen letztlich durch zwei Filter, die Kamera und die Montage.
Dadurch wurden sie am Schluss zur Inszenierung.
Du hast neben Interviews mit den Figuren auch solche mit
Nichtprotagonisten eingeschnitten, einem Zahnarzt oder einem
Küchenverkäufer. Welche Funktion erfüllen sie für Dich?
Das war zu Beginn nur eine Spielerei. Diese Interviews haben einen
gewissen Trashfaktor, weil sie in der Spielfilmhandlung scheinbar
nichts verloren haben. Für eine Schnittversion hatten wir sie auch
mal rausgenommen. Seltsamerweise ging plötzlich ein Teil des
Humors der anschließenden Szenen verloren. Sie bringen in gewisser Weise eine ironische Sicht in den Film, eine Unernsthaftigkeit,
und sie erzählen auch etwas vom alltäglichen Wahnsinn, den wir uns
auferlegen. Alles muss perfekt sein: Küche, Figur, Zähne... Ohne die
Interviews war das für mich nicht richtig definiert. Wir fanden es gut,
das in den Film eindringen zu lassen und dadurch die Klaustrophobie
der Konstruktion ein wenig aufzulockern. Außerdem sollte
der Film an einigen Stellen ruhig anecken, mal gegen die Bande laufen.
Ich wünschte mir eine ästhetische Offenheit, deswegen gibt es
viel Musik, absurde Elemente, Interviews oder Zeitraffer. Ich wollte
den Eindruck von Spielwiese und Selbstironie nicht nur beim Drehprozess
schaffen, sondern auch im Film selbst.
Der Film wirkt enorm schlüssig und durchdacht, so dass man
denkt, Du hättest vom ersten Tag an vielleicht doch Deinen Film
im Kopf gehabt...
Nein, ich hatte tatsächlich nur ein Konzept der Arbeitsweise und
eine Figurenkonstellation. Als ich am 15. Januar zum Drehen nach
Frankfurt gefahren bin, ist mir ganz schlecht gewesen. Ich hatte
nichts in der Hand außer ein paar läppischen Notizen und sollte die
nächsten drei Monate 12 Leute anleiten! Worauf hatte ich mich bloß
eingelassen? Gut, da war Cooky Ziesche an meiner Seite, die eine
sehr erfahrene Dramaturgin ist. Wir sagten uns, zur Not unterbrechen
wir die Dreharbeiten für 10 Tage, setzen uns hin und versuchen
das Ding zu retten, indem wir ein Buch zusammenschustern.
Das war meine einzige Absicherung.
[Quelle: Delphi Vilmverleih GmbH] |